Schwerbehindertenausweis

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Silke47
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Schwerbehindertenausweis

Beitrag von Silke47 » 26. Mär 2010, 11:27

Meine Tochter hat seit Februar 2010 einen gesicherten Morbus Wilson. Die Krankheit brach plötzlich aus mit einem akuten Leberversagen. Ihr wurde vom Versorgungsamt ein Schwerbehindertenausweis mit 70 % ausgestellt, der für ein Jahr zunächst befristet war. Nun überprüft das Versorgungsamt routinemäßig den Gesundheitszustand und möchte den GdB auf 30 % senken. Wer hat Erfahrung, wir möchten den GdB mindestens auf 50 % erhalten haben, um z.B. die Ausbildung durch das Arbeitsamt fördern zu lassen.
Vielen Dank für Eure Antwort im Voraus.
Silke

Sandy
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Beitrag von Sandy » 27. Mär 2010, 10:57

Hallo Silke,

beim Versorgungsamt kommt es darauf an, wie schwer die Krankheiten, die man hat, sind, d. h. wie sehr man beeinträchtigt ist.
Man bekommt also nicht für die Krankheit den Behinderungsgrad, sondern dafür, wie sich diese Krankheit auf das tägliche Leben auswirkt.

Daher solltet Ihr alle Störungen, die sie hat, vom Arzt untersuchen und festhalten lassen.
Welche Störungen bei MW man haben kann, siehe hier:
http://www.uni-duesseldorf.de/AWMF/ll/030-091.htm
Nicht alle Störungen wirken sich massiv auf das tägliche Leben aus. Oft aber werden von den Ärzten gar nicht alle Störungen untersucht und festgestellt.


Psychische Probleme werden beim Versorgungsamt meist sehr hoch angesetzt.

Beim Versorgungsamt sollte man immer gegen einen Bescheid Widerspruch erheben. Meine Erfahrung ist, dass die es erst mal mit einem niedrigen Grad der Behinderung "probieren", der dann meist erhöht wird, wenn man einen Widerspruch oder eine Klage erhebt.

Doch sollte man überlegen, ob der Schwerbehinderten-Ausweis nicht auch manchmal im Berufsleben Nachteile mit sich bringen kann. Manche Firmen wollen keine Schwerbehinderten, weil diese evtl. öfters krank sind oder weil diese keine volle Leistung erbringen können.


LG
Sandy

Gabriele
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Beitrag von Gabriele » 29. Mär 2010, 21:49

Hallo Silke,
man wird selten einen Arztbericht bekommen, der auf alle Störungen eingeht. D.h. es ist sinnvoll, selbst eine Beschwerdenübersicht zu schreiben, ggf. auch einzelne Punkte näher ausführen (z.B. Beispiele für Gedächtnis- und Konzentrationsprobleme etc. nennen) und bei allen Ärzten sich Kopien geben lassen auch von früheren Befunden, die man mit einreichen kann (sofern die Beeinträchtigung noch vorhanden ist). Es muss ja nicht alles mit Wilson zusammenhängen. Auch orthopädische Probleme, Schulprobleme, Allergien oder andere Dinge, die man nicht für so wesentlich hält, weil es Leute ohne Wilson auch haben können, kann man mitaufführen. Denn in der Gesamtheit kann es sich durchaus auf den GdB auswirken.
Sinnvoll ist es außerdem, wenn man eine Kopie der Beschwerdenliste bzw. der Widerspruchsbegründung dem Hausarzt oder Wilsonarzt gibt. Denn meistens weiß auch der Hausarzt gar nicht so im Detail, welche gesundheitlichen Einschränkungen man hat und welche Probleme man ggf hat, damit umzugehen. Er muss aber eine Stellungnahme abgeben und die wird um so hilfreicher ausfallen, je besser die Vorlage ist, die man ihm gibt.
Meine Beschwerdenschilderung war insgesamt 6 Seiten lang. Mein Hausarzt sagte mir hinterher, dass man sonst nie so nah an die Patienten herankäme. So viel wie von mir weiß er von keinem anderen Patienten. In seiner Stellungnahme fasste er das Ganze dann prägnant in medizinischer Sprache zusammen.
Alle vorhandenen Befunde hatte ich selbst schon miteingereicht.

Man muss sich bewusst sein, dass weder das Versorgungsamt noch der von ihm zur Begutachtung beauftragte medizinische Dienst wirklich eine Ahnung von M. Wilson haben. Daher kann es sinnvoll sein, selbst kurz was dazu zu schreiben, gerade auch um darzulegen, dass man mit Wilson lebenslang zu schaffen hat, immer mit dem Risiko einer lebensbedrohlichen Verschlechterung lebt und eine Befristung oder regelmäßige Überprüfung des GdB daher wenig Sinn macht.
Hier ein Auszug aus meinem Antrag:
Morbus Wilson ist eine seltene Erbkrankheit, bei der der ganze Körper allmählich durch überschüssiges (krankheitsbedingt nicht oder nur unzureichend ausscheidbares) Kupfer vergiftet wird.
Lebenslange, konsequente Therapie ist erforderlich, um eine lebensbedrohliche Verschlimmerung der Krankheit zu verhindern.
Dementsprechend haben Patienten mit Morbus Wilson in der Krankenversicherung den Status „schwerwiegend chronisch krank“.

Da die beabsichtigte Reduzierung auf 30 % zeigt, dass dem Sachbearbeiter die Schwere der Krankheit offenbar nicht bewusst ist, könnte man evtl. auch den von Sandy genannten Link im Widerspruch mitangeben. Hierbei handelt es sich um anerkannte Leitlinien.
Meines Wissen entscheidet über eine Befristung und auch den GdB nicht der Medizin. Dienst, sondern der Verwaltungsmitarbeiter des Versorgungsamtes anhand der von ihm eingeholten Unterlagen und einer Liste, wo für alle möglichen Schweregrade bestimmter Krankheiten der GdB erfasst ist (z.B. Parkinson). Für Wilson gibt es meines Wissens keine Einstufung, weil es zu selten ist. D.h. der Sachbearbeiter schaut in eurem Fall evtl. nur bei Leberversagen nach und geht irrtümlich davon aus, dass man sich davon ja wieder erholen kann und daher regelmäßig geprüft werden müsse und der GdB ggf. irgendwann gesenkt werden könne.
Gebt ihm daher selbst eingehende Infos über Wilson, und zwar das Wesentliche direkt aufführen, weil man ja nicht weiß, ob er einen Link lesen wird (oder er evtl. gar keinen Internetanschluss an seinem Arbeitsplatz hat...).

Sandys Einwand, dass ein Schwerbehindertenausweis auch nachteilig sein kann, ist nicht ganz abwegig. Arbeitgeber sind zwar verpflichtet, Schwerbehinderte immer zum Gespräch einzuladen und "bei gleicher Eignung" vorrangig einzustellen, aber wie sie gleiche Eignung interpretieren, ist ihre Sache (solange man das nicht gerichtlich prüfen lässt). Wenn man aber bereits eine Stelle hat, bietet ein Schwerbehindertenausweis mit 50 % einen umfassenden Kündigungsschutz und man kann übers Integrationsamt auch "begleitende Hilfen im Arbeitsleben" beantragen, z.B. kann der Arbeitgeber vom Integrationsamt eine Ausgleichszahlung bekommen, wenn man nicht so leistungsfähig ist, wie die gesunden Kollegen. Dies könnte man natürlich im Vorstellungsgespräch mitanführen, denn das ist den meisten Arbeitgebern gar nicht bekannt. Ich würde insgesamt gesehen daher für einen unbefristeten Schwerbehindertenausweis mit mindestens 50 % kämpfen.

Isabel
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Beitrag von Isabel » 5. Apr 2010, 16:15

Ich habe auch einen Schwerbehindertenausweis mit 50%...

Liebe Grüße

witchIT
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Beitrag von witchIT » 22. Apr 2010, 19:57

Mein Mann hat 100%. ALLE gesundheitlichen Einschränkungen angeben, sie addieren Anteile dazu. Bei dem Widerspruch schreiben, dass die Krankheit sich ja nicht plötzlich innerhalb eines Jahres spontan gemildert hat. Falls psychische/neurologische Symptome vorhanden sind, unbedingt mit angeben.
Falls Nachteile wegen der Behinderung im Berufsleben bestehen, stehen die Erfolgsaussichten einer Klage gut. Oder Schwerbehindertenvertretung. Ich empfehle ausserdem den Abschluss einer Rechtsschutzversicherung. Die hilft auch bei Stress mit der Krankenkasse und ist im Ernstfall (der schnell eintreten kann) Anwalts 1. Frage.

Dominic
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Beitrag von Dominic » 28. Jan 2011, 14:52

Gabriele hat geschrieben:Sandys Einwand, dass ein Schwerbehindertenausweis auch nachteilig sein kann, ist nicht ganz abwegig. Arbeitgeber sind zwar verpflichtet, Schwerbehinderte immer zum Gespräch einzuladen und "bei gleicher Eignung" vorrangig einzustellen, aber wie sie gleiche Eignung interpretieren, ist ihre Sache (solange man das nicht gerichtlich prüfen lässt).
Können Arbeitgeber denn die Schwerbehinderung "nachprüfen", wenn ich diese nicht angebe? Wo und wie erhalten Arbeitgeber Einsicht?

Gabriele
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Beitrag von Gabriele » 28. Jan 2011, 19:18

Hallo Dominic,

der Arbeitgeber wird sicher nicht von sich aus nachprüfen, ob jemand vielleicht doch einen Schwerbehindertenausweis hat, obwohl er es nicht erwähnt hat.
Problematisch wird es erst dann, wenn du dich später mal darauf berufen willst, z.B. um eine Kündigung zu verhindern oder du den Zusatzurlaub für Behinderte in Anspruch nehmen willst.
Ich bin kein Jurist, aber ich könnte mir durchaus vorstellen, dass jemand, der dem Abeitgeber seine Behinderung verschwiegen hat, in einem Rechtsstreit schlechte Karten haben dürfte und der Richter dann evtl. zugunsten des Arbeitgebers entscheiden wird.

Umgekehrt kann dir bei einem Arbeitgeber, der die vorrangige Einstellung Behinderter ernst nimmt, ein Behinderter mit sonst gleicher Eignung vorgezogen werden, wenn deine Behinderung nicht bekannt ist. Aber das weiß man vorher halt nicht.

Empfehlenswert könnte u.U. sein, einen Behindertenausweis erst nach Erhalt einer Stelle zu beantragen. Dann hat man keine falschen Angaben gemacht und hat dann trotzdem den umfassenden Schutz Behinderter im Berufsleben.

Viele Grüße
Gabriele

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