Schlimmer Krankheitsverlauf

Merkmale der Krankheit
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Sonja
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Schlimmer Krankheitsverlauf

Beitrag von Sonja » 10. Jun 2008, 14:42

Hallo zusammen,

meine Schwester ist Wilson erkrankt seit 33 Jahren, sie ist jetzt 46 Jahre alt. Nachdem es ihr jahrelang ganz gut ging hat sich in den letzten zehn Jahren die Krankheit immer weiter verschlimmert.
Inzwischen ist es so, dass sie starke Osteoporose hat, Diabetes und starke Inkontinenz. Sie kann kaum noch laufen, der ganze Körper ist schrecklich deformiert. Dicker Bauch, ganz dünne Arme und Beine.
Seit ca. 5 Monaten, starke Depressionen, die sich durch praktisch permanentes Weinen oder umgekehrt Agressionen bemerkbar machen.
Sie sagt ständig sie will nicht mehr. Sie soll am Tag 30 Tabletten nehmen, schafft es aber nicht dies zu tun, nimmt also nur einen Bruchteil der Medikamente, wahrscheinlich Trientine auch nur zwei statt dreimal am Tag usw. Wenn man sie drauf anspricht, wird sie aggressiv. Der Umgang mit ihr ist sehr schwierig.
Wir wissen uns nicht mehr zu helfen und haben Angst, dass sie bald stirbt oder sich etwas antut. Meine Mutter leidet besonders.
Hat jemand einen Rat oder einen ähnlich schweren Krankheitsverlauf erlebt??
Vorab vielen Dank für eure Hilfe!
Gruß Sonja

Gitte
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Beitrag von Gitte » 11. Jun 2008, 19:44

Hallo Sonja,

Das hört sich ja schlimm an. Wichtig wäre auf jeden Fall, dass sie ihre Medikamente nimmt.

Wie sieht es denn mit der Leber Deiner Schwester aus? Du machst Angaben, die auf eine Leberzirrhose hindeuten würden, z. B. der dicke Bauch (Bauchwasser?), die dünnen Arme und Beine (Muskelabbau?).

Wird ihre Leber von Leberexperten regelmäßig überwacht?

Wurde evtl. an eine Lebertransplantation schon mal gedacht? Mir scheint, dass ihr dies bevorsteht, wenn es nicht gelingt, sie medikamentös so einzustellen, dass dies vielleicht doch noch verhindert werden kann oder zumindest hinausgezögert werden kann.

Ihr müsst versuchen, mit ihr zu reden. Sie sollte auf jeden Fall ihre Medikamente nehmen.

Bekommt sie auch Medikamente für die hepatische Enzephalopathie (=leberbedingte Störung der Hirnfunktion)? Wenn sie so aggressiv ist, könnte dies die Ursache sein.
Das wären vor allem Falkamin und Hepa-Merz (in beiden sind verschiedene Aminosäuren enthalten). Wenn nicht, sollte man ihre Ärzte fragen, ob diese Mittel nicht sinnvoll wären. Doch diese Mittel sind teuer und werden daher evtl. wegen des Budgets manchen Patienten vorenthalten.

So wie Du den Zustand Deiner Schwester beschreibst, könnte es sein, dass sie von der regelmäßigen Einnahme dieser Mittel profitieren könnte. Gerade die Aggressionen (=Reaktion auf verbale Reize) deuten darauf hin, dass sie diese Störung haben könnte.


Hier zwei Links zur hep. Enzephalopathie:

http://www.drfalkpharma.de/patienten/kr ... 4cf20eec02

http://www.leber-info.de/lebererkrankun ... hweregrad/



Gitte

Sonja
Beiträge: 4
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Beitrag von Sonja » 12. Jun 2008, 07:21

Hallo Gitte,

vielen lieben Dank für deine ausführliche Antwort.
Ich denke auch, dass eine Leberzirrhose schon begonnen hat. Sie ist in Heidelberg in Behandlung, hatte gestern wieder einen Termin dort.
Bislang wurde eine Transplantation von dort nicht vorgeschlagen.
Andere Ärzte (wie der Hausarzt) sind meines Erachtens total überfordert, da bei ihr soviele "Nebenkrankheiten" existieren, ihre Werte quasi kunterbunt durcheinander sind.
Der Muskelabbau hat schon vor Jahren begonnen, war ein sehr schleichender Prozeß. Sie hatte damals einen Kreuzbandriß im Knie, dieser wurde durch ihr eigenes Verschulden zu spät behandelt, man konnte dann nichts mehr machen. Sie hatte lange liegen müssen und die Ärzte hatten Angst, dass Sie dann gar nicht mehr laufen kann.
Dies ist allerdings jetzt auch der Fall, sie schleppt sich mit dem Gehwagen im Haus hin und her.
Sie hat außerdem Pflegestufe II. Man muss sagen, dass meine Schwester ein sehr phlegmatischer Typ ist, wahrscheinlich hat sie schon lange resigniert. Das Grundproblem ist die Medikamenteneinnahme.
Sie hat zwei Kinder, Zwillinge im Alter von 13 Jahren und ist verheiratet.
Ihr Mann kann oder will auch keinen Einfluss auf Sie nehmen, er ist auch psychisch sehr belastet mit so einer kranken Frau.
Das Grundproblem ist, dass man nicht an sie rankommt. Sie macht sofort dicht, jede Bemerkung in Richtung du musst deine Medikamente nehmen, hat nur eine aufbrausende, beleidigte Reaktion zur Folge.
Sie schafft es einfach nicht mehr. Sie müsste dringend stationär behandelt werden, meiner Meinung nach.
Aber wenn jemand nicht will, wie soll man da helfen.
Es ist alles sehr schwierig.
Vielen Dank für die beiden Links, ich dachte die Hirnfunktionen würden auch durch Trientine verbessert, werde mich da mal schlau machen.
Es tut auf jeden Fall gut, sich einmal alles von der Seele zu schreiben.
Sonja

Gitte
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Beitrag von Gitte » 12. Jun 2008, 22:34

Hallo Sonja,

ich kann verstehen, dass Ihr Euch Sorgen macht.
Das Grundproblem ist, dass man nicht an sie rankommt. Sie macht sofort dicht, jede Bemerkung in Richtung du musst deine Medikamente nehmen, hat nur eine aufbrausende, beleidigte Reaktion zur Folge.
Das aber ist ganz typisch für eine hep. Enzephalopathie, wenn auf ein Patient auf Bemerkungen nur mit Aufbrausen reagiert und mit dem, was Du angibst, ist ihre Leber wohl schon so schwer geschädigt, dass sie diese Enzephalopathie haben kann.
Trientine leitet das Kupfer aus der Leber und soll dadurch die Leberfunktionen verbessern und eine Zirrhose möglichst verindern. Aber wenn sie einen dicken Bauch (=Bauchwasser) und Muskelabbau hat (beides spricht für eine Zirrhose), dann hat sie wohl zu wenig Trientine genommen oder ihre Dosis ist zu gering und müsste erhöht werden.
Bei einer Leberzirrhose kommt es zu Ammioniakbildung und dieses Ammoniak macht die hep. Enzephalopathie. Trientine kann diese Ammoniakbildung nicht verhindern, weil Trientine eine vorhandene Zirrhose nicht rückgängig macht. Trientine hätte evtl. die Zirrhose verhindern, wenn es regelmäßig eingenommen worden wäre. Aber wenn eine Zirrhose mal so fortgeschritten ist, dass ein Muskelabbau und wohl auch Bauchwasser vorhanden sind, dann führt dies sicher auch zu Ammoniak.
Wenn das Bauchwasser zu viel wird, ist es auch nicht ganz ungefährlich und es soll dann "abgepumpt" werden (wie das genau gemacht wird, weiß ich nicht). Das Bauchwasser drückt nämlich auf die Organe, es kann zu Entzündungen des Bauchfells kommen, d. h. damit steigen die Komplikationen.
Vielleicht würden ihr die beiden Präparate, die ich nannte, helfen gegen die hep. Enzephalopathie.
Ich habe heute noch mit einer sehr netten Ärztin der Fa. Merz telefoniert und die meinte, dass man mit einer Behandlung der hep. Enzephalopathie gute Erfolge erzielen kann. Die Behandlung sollte früh beginnen.

Ich weiß, wenn Deine Schwester gar nicht mehr will, ist es schwierig, ihr überhaupt zu helfen.
Vielleicht sollte man den Wilson-Experten vor ihrem nächsten Termin über ihre Situation informieren, damit der dann hoffentlich die richtigen Maßnahmen vorschlägt oder vielleicht würde der Hausarzt besser mit ihr reden können, denn bei Fremden wird sie wohl nicht aufbrausen?

Sie sollte sicher auch stationär untersucht werden, wenn es so um sie bestellt ist. Eine Magenspiegelung wegen evtl. Krampfadern in der Speiseröhre wäre sicher sinnvoll und eben die Frage des Bauchwassers muss auch geklärt werden.

Gitte

Sonja
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Beitrag von Sonja » 13. Jun 2008, 07:45

Liebe Gitte,

nochmal lieben Dank für deine Ausführungen. Was du schreibst macht alles sehr viel Sinn.
Meine Schwester hatte ja gestern den Termin in Heidelberg.
Meine Mutter hatte vorher dort angerufen um mit dem Arzt zu reden und ihn darüber zu informieren, wie kritisch ihr Zustand ist.
Der Arzt hat jetzt zum Glück unbedingt zu stationärer Behandlung auf der Inneren und Neurologischen Station in Heidelberg geraten.
Momentan möchte meine Schwester, dass auch machen.
Da eines der Kinder jetzt in den Sommerferien operiert werden muss, will sie solange noch warten.
Ich hoffe sehr, dass dies im Endeffekt nicht zur Folge hat, dass sie alles wieder "schleifen" lässt und dann doch nicht geht, denn dies entspricht ja Ihrer Grundhaltung.
Aber wenn Sie einfach nichts unternimmt, können wir auch nichts für Sie tun. Es gehört schon viel Geduld dazu jemandem immer wieder gut zuzureden, der so schwierig im Umgang ist.
Dir nochmal recht herzlichen Dank für die Anteilnahme.
Gut, dass es solche Foren zum Austausch gibt.
Alles Gute und ein schönes Wochenende
Sonja

Gitte
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Beitrag von Gitte » 13. Jun 2008, 17:47

Hallo Sonja,

was mir noch eingefallen ist zu Deiner Schwester:
Sie hat Diabetes, schreibst Du.
Das ist eigentlich keine typische Folgekrankheit von M. Wilson.
Es ist aber eine typische Folgekrankheit von Hämochromatose, das ist die Eisenspeicherkrankheit, die ja auch starke Leberprobleme machen kann.

Ich weiß, dass es Familien gibt, wo die Kupferspeicherkrankheit und die Eisenspeicherkrankheit unter den Geschwistern vorzufinden ist und wo sogar einige beides haben.

Ich würde, falls noch nicht geschehen, daher raten, die Eisenspeicherkrankheit ausschließen zu lassen. Besonders nach den Wechseljahren wirkt sich bei Frauen die Eisenspeicherkrankheit aus.

Sie sollte meiner Meinung nach, den Diabetes nicht mit Tabletten behandeln. Ich weiß nun nicht, ob sie Insulin gespritzt bekommt oder Tabletten gegen den Diabetes nimmt.
Die Tabletten (mein Vater hat auch Diabetes, daher weiß ich dies) sollen auch auf die Leber gehen können und bei Deiner Schwester sollte man wirklich bei lebenschädlichen Medikamenten sehr zurückhaltend sein. Ich würde daher bei M. Wilson und Diabetes Insulin spritzen lassen und keine Tabletten nehmen.

Gruß
Gitte

witchIT
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Registriert: 26. Feb 2008, 21:57

Beitrag von witchIT » 23. Jun 2008, 20:46

Hallo Sonja,

ich habe 2 ganz praktische Tipps.

Zur Medikamenteneinnahme:
Hat Deine Schwester eine Dosierhilfe für die Medikamente?
So eine Schachtel für eine ganze Woche. Kostet 10 EUR in der Apotheke.

Dann lässt sich zumindest sehen, ob sie die Medikamente einnimmt.
Können das die Kinder übernehmen?
Trientine muss nüchtern eingenommen werden, damit es wirken kann.
Notfalls die ganze vergessene Tagesration vor dem Schlafengehen.
Nimmt sie vielleicht Medikamente, die sich in der Wirkung gegenseitig aufheben?

Kann der Pflegedienst, wenn er kommt, die Einnahme kontrollieren?
Es gibt die Möglichkeit, vom Arzt die Tablettenaufstellung
(also Füllen der Wochenbox) zu verschreiben,
ausserdem die Einnahme (!) der Tabletten unter Aufsicht.
Beides wird ungern gemacht, geht alles aufs Budget des Arztes ...

So dramatisch wie Du die Situation beschreibst, frage ich mich,
ob Deine Schwester
den Ernst der Lage sieht und in der Lage ist, für sich selbst zu sorgen
und Entscheidungen zu treffen.
Sonst muss das jemand anders (mit) erledigen.
Für meinen Mann habe ich daher die Betreuung vom Amtsgericht bekommen.
Eingeleitet wurde das damals von den Neurologen.
Damit kann ich (notfalls gegen seinen Willen) dafür sorgen,
dass er die notwendige medizinische Behandlung bekommt.
Es kann auch mehrere Betreuer geben.

Wenn es ganz akut wird, ruft den Notarzt. Und habt alle Befunde dabei,
denn der Notarzt hat auch noch nie von M. Wilson gehört.

Liebe Grüße, alles Gute!

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